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Lebenswege

 

Lebenswege
„Hey, ich hab’ hier was gefunden. Hinter der Hütte lag dieses olle Tuch und ich weiß auch, was wir damit machen…!“ Sarah platzt fast vor Stolz. Jetzt müssen Kai und Uwe sie endlich richtig mitmachen lassen. Kai war ihr großer Bruder und Uwe sein bester Kumpel. Uwe hat zu seinem 12. Geburtstag von seinem Opa ein Buch über Indianer geschenkt bekommen und nun wollen die beiden Lagerfeuer spielen mit echtem Feuer und so. Die Idee ist, zur Laube von Uwes Opa zu fahren, weil der genug Holz und Steine hat, die die beiden Jungs sich mal eben „ausleihen“ wollen. „Mein Opa hat bestimmt nichts dagegen, der ist echt cool. Oma und Opa sind auch gar nicht da. Die könnten wir eh erst Morgen fragen.“ Uwe grinst über beide Backen. Kai versteht sofort. „Ich will aber auch mit“, sagt Sarah. Resolut steht sie auf und stapft hinter ihnen her. „Nee“, lacht Kai, „lass mal, dass ist doch nichts für kleine Babys! Spiel du lieber mit deinen Puppen!“ Diesen dämlichen Spruch kennt Sarah schon. Weil sie drei Jahre jünger ist, muss sie sich den jedes Mal anhören. Aber heute lässt sie sich damit nicht abwimmeln. Sie will auch beim Lagerfeuer dabei sein, darum kommt sie gleich zur Sache: „Wenn ihr mich nicht mitmachen lasst, erzähl ich’s Mama!“ Das sitzt immer. Murrend ziehen die Jungs mit Sarah im Schlepptau zu Uwes Großeltern, die nur ein paar Straßen weiter wohnen.
 
Das Lagerfeuer ist schnell gemacht. Uwe sucht die Steine und Kai schichtet etwas von Opas Kaminholz, dass draußen hinter der Laube lagert, zu einem kleinen Haufen auf. In Uwes Buch steht zwar etwas von „Feuerstein“ und „Funken“, aber Kai hat vorsichtshalber ein Feuerzeug seines Vaters mitgenommen. Er nimmt ein paar alte Papiertaschentücher, die er zufällig noch in der Hosentasche hat und stopft sie vorsichtig unter das Holz, damit es besser anbrennen kann. Diesen Trick hatte er seinem Vater abgeschaut, aber das braucht Uwe ja nicht unbedingt zu wissen. Soll der ruhig glauben, dass er ganz alleine darauf gekommen ist.
 
Die Jungs johlen und tanzen begeistert um das Feuer herum – zuerst einen Regentanz, dann einen Kriegstanz, dann einen Freundschaftstanz, erst links herum, dann rechts herum.
 
Irgendwann wird Sarah die Grunzerei und Johlerei der beiden zu blöd. Gelangweilt steht sie auf, um den Garten ein wenig näher zu erkunden. Vielleicht findet sie ja etwas Brauchbares. An der rechten Seite des Gartenhäuschens ist das Kaminholz für den Winter aufgestapelt. Es wird geschützt durch ein Dach aus Kunststoff, das groß genug ist, damit auch noch eine Schubkarre und mehrere Pflanzkübel darunter Platz finden. Hier gibt es nichts, darum schlendert sie weiter auf die linke Seite. Dort stehen mehrere Reihen ordentlich aufgeschichteter Steine. „Wofür Uwes Opa die wohl braucht?“, überlegt das Mädchen und kratzt mit den Fingern über ihre Stirn wie sie es immer tut, wenn sie nachdenkt. Sarah will schon weiter gehen, da erblickt sie oben auf der Mauer etwas, das aussieht wie ein Stück Stoff. Plötzlich hat die Kleine eine geniale Idee. Da können Kai und Uwe gar nicht nein sagen.
 
Obwohl Sarah sich auf Zehenspitzen stellt, muss sie sich noch ganz schön recken, um das Tuch von der Steinmauer ziehen zu können. Etwas außer Atem betrachtet sie ihre Trophäe. Es ist ein etwa 1m x 1m großer Schal mit grün/blauen Schottenkaros. Alle Seiten sind von Fransen umgeben, die jeweils die gleiche Farbe wie die Karos haben. Er ist ganz voller Haare, fühlt sich aber schön weich an. Auf einer Seite ist ein Aufnäher befestigt, den Sarah mühsam zu entziffern versucht: „M-a-d-e in G-e-r-m-a-n-y“ liest sie. Darunter stehen komische Symbole, die sie aus ihren Hosen und Pullovern kennt. Ihre Mutter hatte ihr mal erklärt, dass man die zum Waschen braucht.
 
Sarah hält den Schal über ihren Kopf und läuft zurück zu den beiden Möchte-Gern-Indianern, die immer noch vor sich hin johlen. Endlich hat sie einen Grund, das dämliche Spiel der Jungs zu unterbrechen. „Wisst ihr, was wir damit machen? - Rauchzeichen!“, verkündet sie triumphierend. Verdattert starren Kai und Uwe erst auf das Mädchen, dann auf das Tuch. Wo kommt denn das bloß her?
 
Genau diesen Schal erwarb vor etwa einem halben Jahr Hildegard Schmitt. An besagtem Tag hatte der Himmel alle Schleusen geöffnet. Trotzdem schwebte sie durch die Straßen geradewegs zu ihrer Lieblingsboutique am Kaiserplatz. Die tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch redeten ihr beharrlich ein, doch ein bisschen durch die Pfützen zu springen. „Hildi“, ermahnte sie sich selbst, „du bist eine reife Frau, kein Backfisch, also benimm dich auch entsprechend!“ Endlich hatte sie den Laden erreicht. Leichtfüßig übersprang sie eine letzte Pfütze und trat ein. „Darf ich ihnen behilflich sein?“ „Aber ja“, antwortete Hildegard fröhlich und äußerte ihre Wünsche. Mit geübtem Blick durchstreifte die Verkäuferin einige Ständer und kam mit ein paar Röcken zurück.
 
Rasch war das passende Stück gefunden. „Jetzt noch ein Oberteil dazu und ich bin wunschlos glücklich“. Sofort lief die Verkäuferin los und kam mit einer weißen Bluse zurück Hildegard streifte sie über und schaute gedankenverloren in den Spiegel.
 
Sie erkannte sich kaum wieder. Noch vor ein paar Wochen hatte sie sich über die dunklen Ringe unter ihren Augen geärgert, heute funkelten sie wie Diamanten. Sie trug ihre Haare etwas kürzer. Ihre Friseurin meinte, dass wäre eine kleine Veränderung mit großer Wirkung. Die vielen Komplimente aus dem Bekanntenkreis gaben ihr Recht. Und jetzt noch dieses Outfit: Der dunkelblaue Rock schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Er war eng geschnitten, kaschierte aber trotzdem die eine oder andere „Problemzone“, was ihr sehr gut gefiel, auch wenn ihre Tochter Carola immer behauptete, dass man mit 55 nicht mehr wie ein „Hungerhaken“ aussehen sollte. „Mama, hier und da ein paar Pölsterchen verhindern Faltenbildung und lassen dich gesünder aussehen“. Ja ja, wir sprechen uns in 25 Jahren wieder. Der Rock endete ein gutes Stück über ihren Knien. War das nicht zu gewagt? Wieder spürte sie ihre Tochter neben sich, die vehement den Kopf schüttelte. „Deine Beine sind tadellos, zeig ihm ruhig, was du zu bieten hast“. Die Bluse schien nur auf Hildegard gewartet zu haben. Der gerade geschnittene Baumwollstoff schmiegte sich an sie als wollte er sagen, hier gehöre ich hin.
 
„Hildi, du siehst klasse aus! Oder hat diese dauernde Verzückung und Glückseeligkeit deinen gesunden Menschenverstand nun endgültig ausgemerzt?“ Seit sie vor drei Wochen Klaus Bennent kennen gelernt hatte, war sie sich da nicht mehr so sicher.
 
An jenem Tag hatte sie im Kaffee Hermanns gesessen, hatte Kuchen gegessen, Kaffee getrunken und sich an dem lebendigen Treiben um sie herum gefreut, genau wie jeden Mittwoch. Seit der Scheidung vor zwei Jahren genoss sie dieses lieb gewonnene Ritual in vollen Zügen. Diesmal passierte jedoch etwas Unerwartetes: Obwohl das Kaffee nicht voll besetzt war, trat ein Mann an ihren Tisch und fragte, ob er sich ein wenig zu ihr setzen dürfe. Seine Hände fingerten an den Knöpfen seiner Jacke und sie meinte einen leichten Schweißfilm auf seiner Stirn zu entdecken. Die Haare des Fremden waren schon ziemlich grau, ein flotter Kurzhaarschnitt, das grüne Poloshirt, Jeans und Turnschuhe machten es für Hildegard allerdings schwierig, auf sein Alter zu schließen. Leicht irritiert willigte sie in seine Bitte ein. Jetzt knetete er an der Karte herum. „Können sie mir einen Kuchen empfehlen?“ „Es gibt frischen Erdbeerkuchen.“ Und wieder Schweigen. Endlich kam die Bedienung, um seine Bestellung aufzunehmen. Hildegard wollte die Gelegenheit nutzen und um ihre Rechnung bitten. „Nein! Ich meine, darf ich sie noch auf einen Kaffe einladen? Oder mögen sie Eis? Ich meine, darf ich sie auf ein Eis einladen?“ Da ihre Neugierde stärker war als ihre Verwirrung, stimmte sie einer Tasse Kaffe zu.
 
Nachdem die Bedienung alles aufgestellt hatte, rührten beide hemmungslos in ihren Tassen. Der Fremde aß ein Stück von seinem Kuchen. Just in diesem Moment fragte Hildegard: „Sagen sie, kennen wir uns? Wenn ja, müssen sie entschuldigen, ich…“ Sein Gesicht wurde puterrot, Tränen schossen in seine Augen und er begann zu husten und hustete und hustete. Hildegard ging zu ihm herüber und klopfte kräftig auf seinen Rücken. „Sie müssen… Arme hoch, na los, Arme hoch, das hilft, …wollen sie etwas trinken?....Arme oben lassen!“ Sie bemühte sich redlich, die Situation zu retten, doch es war zu spät. Zuerst versuchte sie sich durch ein lautloses Lachen hinter seinem Rücken Luft zu machen, aber es reichte nicht. Der Drang wurde stärker und stärker. „Entschuldigen sie“, prustete sie, „ ich wollte nicht…. Ich….“ Nach einer gefühlten Ewigkeit, hatte der Arme sich wieder beruhigt und auch ihr Lachen zog sich nach und nach zurück.
 
Er saß da wie ein begossener Pudel. „Entschuldigung, ich habe mich verschluckt.“
„Ich weiß“, sagte Hildegard und ihre Mundwinkel wollten sich schon wieder nach oben verziehen.
„Das war jetzt sicher der blödeste Annäherungsversuch, den sie je erlebt haben.“
„Och, zu mindestens war es etwas Besonderes.“ 
„Mein Name ist Klaus Bennent. Ich mache so etwas normalerweise nicht, aber eine Stimme in mir sagte, ich muss sie einfach ansprechen. Das war wohl eine blöde Idee. Tut mir leid. Ich werde jetzt wohl besser gehen. Den Kaffee übernehme selbstverständlich ich. Nichts für ungut. Auf Wiedersehen.“
Vielleicht war es ihre aufgekratzte Stimmung, vielleicht war es Fügung, wer weiß, auf jeden Fall antwortete sie: „Wenn sie es noch einmal versuchen möchten, ich bin jeden Mittwoch um diese Zeit hier.“ Weg war er. Hildegard konnte es gar nicht erwarten, Carola von diesem Erlebnis zu erzählen.
 
In der nächsten Woche geschah dann das Unerwartete. Klaus Bennent war tatsächlich gekommen. Er bat sie an seinen Tisch, sie bestellen Kaffe (vorsichtshalber keinen Kuchen) und plauderten den ganzen Nachmittag über Gott und die Welt. Diese Woche Mittwoch  fragte Klaus, ob Hildegard mit ihm Essen gehen möchte. Natürlich willigte sie sofort ein und darum stand sie heute vor diesem Spiegel und hätte vor Glück die ganze Welt umarmen können.
 
Die Stimme der Verkäuferin holte sie zurück in die Realität. „Schauen sie mal, würde dieser Schal ihr Aussehen nicht noch unterstreichen?“. Sie hatte Recht. Er rundete das Bild perfekt ab. So kam der grün/blaue Schal in Hildegard Schmitts Leben.
 
Doch während sich der Rock und die Bluse schnell zu ihren Lieblingsstücken entwickelten, trennte sich der Schal noch am gleichen Abend wieder von ihr. Hildegard und Klaus genossen ein wunderbares gemeinsames Essen. Da das Wetter so schön war und sie sich immer noch so viel zu erzählen hatten, beschlossen sie, einen Spaziergang durch die Nacht zu machen. Hildegard fühlte sich so geborgen an Klaus Seite. Sein unsicheres Auftreten bei ihrem ersten Kennen lernen hatte ganz eindeutig mit seiner Unerfahrenheit in diesen Dingen zu tun. Carola zog sie immer noch gerne mit dieser Geschichte auf: „Mama, so ist das nun mal mit den jüngeren Männern, da musst du mit leben.“ Dabei war Klaus schon 50. So groß war der Altersunterschied nun auch nicht. Wie oft hatte sie ihm schon dafür gedankt, dass er den Mut gehabt hatte, sie anzusprechen.
 
Nachdem die beiden durch die halbe Stadt gelaufen waren, musste Hildegard zugeben, dass lange Spaziergänge in Pumps nicht mehr zu ihrem täglichen Training gehörten. Klaus nahm es mit Humor und winkte ein Taxi heran. Als das Taxi vor ihrer Haustür zum Stehen kam, rutschte er nervös auf seinem Sitz hin und her. „Tja, dann gute Nacht“, klang es eher gekrächzt als gesprochen aus seinem Mund. Als Hildegard sich gerade fragen wollte, was denn los sei, berührten auch schon seine Lippen die ihren. Während sie in einem unendlichen See aus Glückseeligkeit versank, schien die Welt den Atem anzuhalten. Sie spürte seine sanfte Umarmung, spürte sein Knie an ihrem und spürte vor allem seine warmen weichen Lippen. Alles andere hatte seine Bedeutung verloren. Wann hatte sie sich das letzte Mal so leicht gefühlt? Sie wusste es nicht mehr. Plötzlich verstand sie ihre Tochter, wenn diese früher auf Wolken schwebend in ihr Zimmer verschwand. Dass man so etwas mit 55 Jahren noch erleben konnte. War sie dafür nicht schon zu alt? War man überhaupt jemals zu alt für die Liebe? In diesem Moment war es völlig egal.
 
Irgendwann wurde ihr bewusst, dass sie in einem Taxi saß und, dass der Taxifahrer alles beobachtete. Sanft löste sie sich aus der Umarmung und hoffte, dass ihre Wangen nicht zu gerötet waren. Sie sah Klaus noch einmal in die Augen und verließ das Fahrzeug. Ein kurzes Winken und weg war er. Verwirrt kramte sie in ihrer Tasche nach ihrem Hausschlüssel. „Das war ja genau so eine Aktion wie damals im Kaffee. Unser erster Kuss in einem Taxi! Mit dir werde ich wohl noch einiges erleben. Aber schön war’s trotzdem. Ich höre jetzt schon Carolas Kommentar. „Mama, ich hoffe, du denkst an deine gute Erziehung!“ Endlich hatte sie ihren Schlüssel gefunden. Sie öffnete die Tür, blickte noch ein letztes Mal in die Richtung, in die das Taxi gefahren war und trat ein. Bei all der Aufregung bemerkte Hildegard gar nicht, dass ihr der neue Schal von der Schulter gerutscht war und jetzt herrenlos auf der Straße lag.   
 
Wie an jedem Samstag verließ Gerd Hoppmann in aller Frühe das Haus, um die Frühstücksbrötchen für sich und seine Frau zu holen. Doch diesmal brachte er noch etwas anderes mit. „Mugli sieh mal, was ich in der Kleiststraße auf der Straße gefunden habe. Ist der nicht schön? So etwas kann man doch nicht einfach weg werfen.“ Diesen Spruch kannte Margot Hoppmann bereits. Ihr Mann konnte an keinem Trödel vorbei gehen, kein Sperrmüll war vor ihm sicher. „Was hat er nun schon wieder angeschleppt“, dachte sie. Stolz hielt er einen blau/grün karierten Schal in die Höhe. „Der sieht doch noch ganz neu aus. Wer so etwas wohl weg wirft?“ „Vielleicht hat den ja jemand verloren“, erwiderte Margot und setzte sich an den Tisch. Gerd legte seine neue Trophäe auf den Stuhl neben sich und verteilte die Brötchen. Nach einer Weile gesellte sich Morle, die Katze der Hoppmanns zu ihnen. Sie sprang auf den Stuhl, auf dem der Schal lag. Ihr schien der weiche Stoff zu gefallen, denn sie rollte sich sofort auf den Rücken, rieb ihr Köpfchen und schnurrte vor Wonne laut vor sich hin. „Sieht so aus, als hätte ich bereits einen Abnehmer für meinen Fund gefunden. Was, Morle, du weißt Qualität zu schätzen“, freute sich Herr Hoppmann.
 
Seit einem halben Jahr liegt nun schon der Schal auf der Steinmauer hinter dem Gartenhäuschen, Morles unangefochtenem Lieblingsplatz. Und mit genau diesem Schal will Sarah jetzt beweisen, dass sie ein noch viel besserer Indianer ist als Kai und Uwe zusammen.
 
„Kai und ich halten das Tuch über das Feuer und heben es dann mit Schwung wieder hoch. Uwe, du kannst ja weiter tanzen.“ „Das hast du dir so gedacht. Wenn hier einer Rauchzeichen macht, dann ja wohl Kai und ich. Schließlich gehört meinem Opa der Schal!“ Siegessicher gehen Kai und Uwe auf das Mädchen zu, doch so schnell gibt Sarah nicht auf. Sie umklammert das Tuch mit beiden Händen, knufft Kai in die Seite und läuft laut schimpfend durch den Garten. Sofort nehmen die beiden Jungs die Verfolgung auf. Doch Sarah schlägt ein paar Haken, um den beiden zu entkommen. Dann läuft sie auf die Straße, geradewegs in die Arme eines Pärchens, das nicht schnell genug zur Seite springen kann, um ihr auszuweichen. „Na, na junges Fräulein, immer langsam. Warum rennst du denn so schnell?“, fragt die Frau, die das Mädchen aufgefangen hat. „Ich habe das hier gefunden und die beiden Blöden wollen es mir wieder wegnehmen!“ Sarah reicht der Frau den Schal und zeigt auf Kai und Uwe, die am Gartenzaun stehen geblieben sind. Während ihr Partner sich weiter mit dem Mädchen über die Umstände des Streits unterhält, betrachtet die Frau gedankenverloren das Tuch.
 
 „Grün/blaue Karos, das weiche Material, wäre es vielleicht möglich, dass dies der Schal ist, den ich am Abend getragen habe, als Klaus mich das erste Mal geküsst hat?“ Ganz aufgeregt greift sie seinen Arm: „Sieh mal Schatz, könnte das vielleicht mein Schal sein? Du weißt schon, den ich bei unserem ersten Rendevouz verloren habe. Ich wohne doch ganz in der Nähe“. Klaus ist sich nicht sicher. „Ehrlich gesagt, habe ich damals nicht so sehr auf deine Kleidung geachtet. Sarah hat doch eben erzählt, dass sie mit ihrem Bruder und dem Enkel von Herrn und Frau Hoppmann ein Lagerfeuer gemacht hat und das Tuch auf einer Steinmauer fand und so voller Haare wie es ist, scheint wohl eine Katze darauf zu schlafen. Sie will übrigens Rauchzeichen damit machen. Die Kleine ist ganz schön clever, findest du nicht?“ Plötzlich ist Hildegard hell wach: „Hoppmanns sind gar nicht da und ihr spielt mit Feuer in ihrem Garten? Wissen eure Eltern davon? Nein – dachte ich mir schon. Und du stehst hier seelenruhig neben mir. Was da alles passieren kann. Das müssen wir beenden – sofort!“ Gemeinsam gehen sie wieder in den Garten; Hildegard schimpfend vorweg, dann Kai, Uwe und Sarah mit hängenden Köpfen hinter her und zum Schluss Klaus, die Hände in den Hosentaschen.
 
Das Feuer ist in der Zwischenzeit schon ganz runter gebrannt, so dass nur noch ein wenig Glut zu sehen ist. Während Klaus sich von den beiden Jungen erklären lässt, wie sie um das Feuer herum getanzt sind, legen Sarah und Hildegard den Schal zurück auf die Steinmauer. Sarah läuft sofort wieder zu dem Feuer, schließlich will sie nichts verpassen, doch Hildegard bleibt noch einen Moment stehen und beobachtet lächelnd Klaus und die Kinder. Der muss nicht lange gebeten werden, da johlt  er auch schon eifrig mit Kai und Uwe um die Wette. Sogar Sarah macht diesmal ganz begeistert mit.
 
„Mensch Klaus, bin ich so froh, dass ich dich habe“. Während sie das denkt, überrollt sie die Erinnerung an ihre Ehe. „Ach Olaf, nachdem Carola ausgezogen war, wollte ich noch so viel unternehmen, aber du warst  immer nur müde und wolltest deine Ruhe. Ich konnte dich für nichts begeistern. Denk nur an meine Beschäftigung bei den Brettschneiders. Die Betreuung ihrer Kinder genieße ich bis zum heutigen Tag. Ich hätte meine Erlebnisse so gerne mit dir geteilt, aber du wolltest ja  lieber die Tagesschau sehen. Ich war glücklich bei all meinen Aktivitäten und wurde immer unglücklicher, wenn ich schweigend neben dir saß. So ging es nicht mehr weiter. Ich musste mich von dir trennen, wenn ich mir selber treu bleiben wollte. Auch, wenn ich manches Wochenende heulend in meiner Wohnung saß, weil ich mich so alleine fühlte, habe ich den Schritt nicht bereut, denn zu zweit einsam sein, ist noch viel schlimmer“.
 
Unwillkürlich füllen sich Hildegards Augen mit Tränen. Sie findet ein Taschentuch in ihrer Manteltasche und wischt sie möglichst unauffällig wieder weg. Einer inneren Eingebung folgend geht sie zum Feuer und wirft es in die Glut. So wie sich das Taschentuch in Rauch auflöst, lösen sich auch ihre traurigen Erinnerungen wieder auf. Lachend hakt sie sich bei Klaus unter und gibt ihm einen dicken Kuss auf die Wange. „So, ich glaube, jetzt habt ihr genug Geister beschworen. Lasst uns das Lager wieder abbauen und nach Hause gehen.“
Ohne zu murren räumen die Kinder mit Klaus und Hildegards Hilfe alles wieder an seinen Platz. „Hoffentlich sind Oma und Opa nicht böse, dass wir ohne Erlaubnis hier gespielt haben.“ „Ach, es sieht doch alles wieder ganz ordentlich aus. Vielleicht bemerken sie es ja gar nicht“. Klaus grinst. Sofort erntet er von Hildegard einen tadelnden Blick und einen Knuff in die Seite. Sarah, Kai und Uwe stecken die Köpfe zusammen und kichern hinter vorgehaltener Hand.
 
Endlich ist alles fertig. Hildegard gibt den Kindern noch ein paar Ermahnungen mit auf den Weg, dann verlassen alle Hoppmanns Garten, um wieder nach Hause zu gehen. Klaus nimmt Hildegards Hand. „Ich wusste gar nicht, dass du so streng sein kannst.“ „Und ich wusste nicht, dass tief in dir eine Rothaut schlummert.“ „Das ist doch der Grund, warum ich so anziehend auf ältere Frauen wirke.“ Hildegard schüttelt mit dem Kopf. „Hört denn das nie auf?“ „Na, ich hoffe doch nicht“, grinst Klaus.   
 

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